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Hallo,

ich habe lange mit mir gerungen, ob ich das wirklich schreiben soll oder nicht, aber ich habe die Nase gestrichen voll. Gestrichen voll den Mund zu halten und gleichzeitig jeden Tag an vorderster Front, gefühlt gegen Windmühlen zu kämpfen.

Denn während ich (und viele andere) das tue, läuft im Fernsehen ein Format, welches schwer vermittelbaren Hunden aus dem Tierschutz, eine zweite Chance geben soll.

Der Gedanke und die Intention sind erst einmal überaus lobenswert – die Umsetzung eine reine Katastrophe. Dass so etwas tatsächlich im TV gezeigt wird, ist nicht nur absolut inakzeptabel und unprofessionell, sondern auch absolut fahrlässig und gefährlich!

Ich habe an mehreren Stellen die Luft angehalten, aber insbesondere die Situation bzw. das vermeintliche Training mit Coffee, einem 9 Jahre alten Husky Mischlingsrüden, welcher eine sehr ausgeprägte Futter- und Ressourcenaggression zeigt, hat mich komplett vom Glauben abfallen lassen.

Es kann doch nicht euer Ernst sein, solch einen Hund erst mit Leckerli vollzustopfen, dann zum Auslösen zu bringen und ihm letzten Endes mehrere Liter Wasser ins Gesicht zu spritzen, um dann die feste Überzeugung zu haben, dieses Verhalten so in den Griff zu bekommen. Ganz nebenbei wundert man sich, dass genau dieser Hund, der von seiner Tierheimpflegerin sogar schon als skeptisch gegenüber Menschen beschrieben wird und dieses skeptische, misstrauende Verhalten auch während der Sendung immer wieder sehr deutlich zeigt, „Zitat: „plötzlich“ und „überraschend“ anfängt Menschen zu attackieren. Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich lachen. Es ist sicher (Achtung Ironie) unheimlich klug davon auszugehen das ein solcher Hund plötzlich zu Menschen vertrauen fasst, weil sie ihm ein paar Leckerli reinstopfen, dann offensichtlich immer wieder über seine Grenzen gehen, während sie über den Kopf streicheln und zu guter Letzt ihn ein Mensch mit Wasser bearbeitet.

Nein. Das hat nichts mit guten „Training“ zu tun. Das hat nichts mit Methoden zu tun. Das hat nichts mit dem Verstehen von Hundesprache zu tun. Das hat nichts mit einer fairen Behandlung eines Tieres zu tun und es hat verdammt nochmal nichts im Fernsehen zu suchen. Mit dieser Methode kann man Hunde brechen und andere werden, wie auch Coffee, in den Gegenangriff gehen. Man sorgt also im schlimmsten Fall entweder dafür, dass der eigene Hund vor einem Angst entwickelt oder aber einen sogar als Feind betrachtet. In jedem Fall lernt der Hund aber das der Mensch unberechenbar ist, sich nicht unter Kontrolle hat und man diesem nicht vertrauen kann! Das kann auf Dauer krank machen und wird das „Problem“ auch nicht nachhaltig lösen.

Zudem sei erwähnt, da ich bereits schon den ein oder anderen Kommentar dazu gelesen habe: Dieses Phänomen, das Coffee trotzdem eine gewisse Bindung zu seinem Trainer zeigt ist nichts ungewöhnliches. Dieses Verhalten findet man auch in Mensch/Mensch Beziehungen. Denkt nur an die vielen Beziehungen in denen Gewalt eine Rolle spielt und der jeweilige Partner, in der Hoffnung das alles besser wird, trotzdem bleibt. Sowas nennt man eine unsichere – ambivalente Bindung.

Und um den weiteren Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich greife hier niemanden persönlich an. Ich stelle lediglich diese Sendung und die gezeigten Methoden absolut in Frage. Vor allem auch, weil ich mir sicher bin, dass einige verzweifelte Hundehalter da draußen nun diese Methoden völlig unbedarft anwenden werden (kommt ja schließlich im TV, ein bekannter Hundetrainer steht auch hinten dran- da kann es nicht falsch sein) und dies zu noch mehr Problemen führen wird.

Ich kann nur dringend an euch Hundehalter da draußen appellieren: BITTE WENDET DIESE METHODEN NICHT BEI EUREN HUNDEN AN!

Liebe Grüße auch im Namen von Jimmy, dt. Dogge, kam mit ca. 1 Jahr zu uns und hätte u.a. für Futter nicht nur ernsthaft in meine Hand reingebissen, sondern auch in alles andere was ihm in die Quere gekommen wäre! Ein Jahr später hab ich fast geheult, weil er mir ganz stolz und freiwillig einen ziemlich ekelhaften, angesabberten, abgekauten Knochen in die Hand gelegt hat.

War ziemlich viel Arbeit, über ziemlich lange Zeit, ohne Wasserflaschen, ohne Gewalt oder Leckerli -reinstopfen, sondern über das Schaffen von Vertrauen und Sicherheit und den richtigen Schritten zur richtigen Zeit.

Nur ein Beispiel von vielen – immerhin laufen da draußen an der Front unglaublich viele Hunde mit diesen und anderen Problemen rum – meist von Menschen gemacht – mal mehr mal weniger schlimm, in jedem Fall aber auch sehr viele die ernsthaft beschädigen. Wir kämpfen weiter damit solche Probleme erst gar nicht entstehen oder damit der Hund eben im besten Fall da bleiben kann wo er ist, nicht im Tierheim oder sonst wo landet – aber es ist wie es ist. Für mich, viele andere Menschen und in der ersten Linie für all die Hunde, ist diese Sendung ein Schlag ins Gesicht.

Liebe Grüße,
Radana

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